In unserer Videoserie Tell me how you learn sprechen unsere Interviewpartner:innen über das Thema Lernen und ihre eigenen prägenden Lernerfahrungen. Auch Caroline Treier von der Evangelischen Schule Berlin Zentrum gab uns im Interview Auskunft über ihre AHA-Momente beim Lernen. Hier geht es zum Videointerview!
Schule kann (doch) Innovation
Stellen Sie sich vor, Ihr Kind lernt an der Schule, wie man innerhalb einer Woche ein Brettspiel entwickelt, dystopische Zukunftsvisionen entwirft oder drei Wochen allein in der Natur unterwegs ist – ohne Smartphone! An der Evangelischen Schule Berlin Zentrum (ESBZ) ist genau das möglich: Dank engagierter Eltern, Lehrer:innen und einer leidenschaftlichen Schulleiterin lernen die Jugendlichen Selbstverantwortung und Selbstwirksamkeit sowie das Meistern großer Herausforderungen im Team.
„Wir brauchen die Multiperspektivität, um wirklich innovativ zu sein!“
„Wir unterschätzen die Potenziale von Menschen permanent, und wir vergessen oft, wie unterschiedlich diese sind!“
Die ESBZ wurde vor 10 Jahren auf Initiative von Eltern gegründet, die für ihre Kinder eine andere Form des Lernens ermöglichen wollten. Was die private Schule ausmacht, sind mutige, alternative Lernformate und ein lernerzentrierter Ansatz. Für Caroline Treier ist es wichtig, die Schüler:innen auf eine Welt vorzubereiten, in der neue Arbeitsformen und selbstorganisiertes Lernen eine wichtige Rolle spielen. Die Jugendlichen erfahren hohe Selbstwirksamkeit, indem sie ihren eigenen Lernweg nach ihren Bedürfnissen mitgestalten können. Projektarbeit stellt dabei das zentrale Element des Unterrichtens an der ESBZ dar. Vielfältige, interdisziplinäre Lernformate ersetzen geläufige Kursmodelle und neue Lernformate wie zum Beispiel das Lernbüro, Pulsare, Lebens- und Arbeitskompetenzworkshops sowie Lernexpeditionen formen eine neue Lern- und Lehrkultur. Dafür gilt es aber auch, sich von Bürokratie und starren Regeln zu trennen und mutig Innovationen vorzuleben, die auf der Reformpädagogik fußen.
„Man muss sich von der Überverwaltung, Überorganisation und Überstrukturierung lösen!“
„Ich muss mich dort, wo ich selbst Verantwortung habe, auch selbst einbringen. Demokratie ist genau das!“
Lernen durch Selbsterfahrung
Im Schulalltag bedeutet dies eine Abkehr von herkömmlichen Lernformaten und stattdessen alternative Lernformen, die es den Jugendlichen ermöglichen, aktiv mitzuwirken. In Pulsaren beispielsweise beschäftigen sich die Schüler eine Woche lang mit einem selbstgewählten Thema in Projektarbeit und lernen, Dinge kritisch zu hinterfragen, aber auch selbst mitzugestalten, indem sie zum Beispiel gemeinsam ein Brettspiel dazu entwickeln.
Im Rahmen des Projektes „Herausforderung“ ziehen die Jugendlichen nach wochenlanger Vorbereitung in kleinen Gruppen los, um drei Wochen lang ohne Unterstützung von Lehrkräften oder Eltern eine große Herausforderung in der Gemeinschaft zu meistern. Das kann eine Radtour durch den Schwarzwald sein oder drei Wochen Campen im Wald – die Schülerinnen sind dabei ganz auf sich alleine gestellt und lernen, gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Auf der Expedition erfahren die Schüler:innen zudem, auf Fremde zuzugehen und um Unterstützung zu bitten. Zudem sind alle Schüler:innen verpflichtet, im Rahmen eines sozialen Projektes drei Monate im Ausland zu verbringen. Für Caroline Treier sind diese Erfahrungen sehr wichtig: Sie möchte den Jugendlichen dadurch auch zeigen, dass sie mit der Welt verbunden sind. Was für manche Eltern riskant erscheinen mag, ist ein großer Entwicklungsschritt für die Jugendlichen, den sie selbst nicht mehr missen möchten.
Social Learning par excellence
Als werteorientierte Schule ist das Verständnis für- und miteinander und Toleranz Teil des Lehrplans. So werden zum Beispiel geflüchtete Jugendliche zunächst in speziellen Klassen in Deutsch unterrichtet, um später gemeinsam mit den anderen im Klassenverband lernen zu können. Schüler, die neu dazukommen, werden „Willkommensschüler“ genannt und in einem „Onboarding“- Prozess in die Gruppe eingegliedert – das kann zum Beispiel ein gemeinsamer Klettertag in der Boulderhalle sein, der ebenfalls Teil des Unterrichts ist. Wichtig dabei ist, dass jeder von jedem lernt und das gemeinsame Lernen im Mittelpunkt steht.
Für Schulleiterin Caroline Treier ist die Frage, welche Kompetenzen die Schüler:innen in 20, 30 Jahren brauchen werden, essentiell – nur so kann es den Heranwachsenden gelingen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern. Die Jugendlichen sollen zudem in einem hohen Maß lernen, Selbstverantwortung und Verantwortung für andere zu übernehmen und Demokratie aktiv mitzugestalten.