Zur Zukunft des Lernens
Wie würden Sie am liebsten lernen – wenn Sie es sich frei aussuchen könnten?
Gott sei Dank kann ich mir das zum größten Teil, seit ich die Schule überstanden habe, selbst aussuchen. Bei Dingen, die viele Menschen betreffen, würde ich gerne in Gemeinschaft lernen, weil man z.B. so etwas wie ‚Sozialkompetenz‘ oder ‚Führungskompetenz‘ nicht im stillen Kämmerlein lernen kann. Bei meinen eigenen Projekten und Ideen, die ich verfolge, gestalte ich mein Lernen auf zwei Arten:
Wenn sich mein Vorhaben darum dreht, alles Mögliche über ein Thema zu erfahren und zu verstehen, dann möchte ich, dass die Informationen flüssig und ohne Hindernisse für mich abrufbar sind, so dass sich mein Geist frei bewegen kann. Also möglichst reibungslosen Zugang zur Bibliothek, dem Internet usw., dabei möchte ich dann möglichst solange nicht von den Zwängen des Lebens (Essen, Schlafen, Tag/Nacht-Rhythmus, Nahrungsmittelbeschaffung usw.) unterbrochen werden, bis ich mit der Aneignung der neuen Dinge fertig bin. Das kann durchaus mal 4-5 Stunden am Stück stattfinden, da bin ich sehr ausdauernd und geduldig.
Wenn sich mein Vorhaben um eine Sache dreht, die primär für andere erstellt wird, dann möchte ich möglichst ohne große Unterbrechungen an dem Fortkommen arbeiten, ohne nebenbei extra neue Dinge aneignen zu müssen. Jedes lästige Nachschlagen von Dingen, die ich nicht weiß, nervt dann einfach nur. Wenn es dann doch unvermeidlich ist, dann möchte ich die notwendige Expertise bitte so schnell wie möglich erhalten, um gleich weitermachen zu können mit meiner eigentlichen Aufgabe. Ich bin da leider auch ziemlich ungeduldig!
Wie vermuten Sie, dass Ihre Kinder/Enkel lernen werden?
Also, da mache ich mir nichts vor. Das Bildungssystem ist der veränderungsresistenteste institutionelle Komplex, den ich kenne. Dagegen ist die katholische Kirche ein wahrer Changeagent. Die werden das gleiche Leiden durchmachen wie ich, mit dem Unterschied, dass ich noch einmal mit ihnen leiden werde. Ich rechne also damit, durch diesen unveränderlichen Komplex früher oder später nochmals in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Ich fände daher die Frage ‚Was werden meine Kinder/Enkel lernen?‘ weitaus spannender.
Welche Probleme erwarten Sie in Zukunft?
Probleme gibt es stets und ständig eine Menge. Für mich persönlich ist es mittlerweile ein großes Problem, dass ich eine vergleichsweise gute Gabe habe, Probleme früh zu erkennen bzw. sie im Alltag zu sehen. Da fühlt man sich angesichts der vielen weltweiten Probleme, die man an jeder Ecke bemerkt, manchmal macht- und hilflos, so als ob man nichts ändern könne. Auch wenn man nur wenige der großen Probleme erkennt, ist es nicht leicht, damit umzugehen. Das Positive ist, jeder kann etwas ändern. Ich halte mich an Gandhi, wenn mir etwas nicht so gefällt wie es ist, dann hoffe ich nicht darauf, dass jemand kommen wird und das Problem für mich löst. Ich mach‘ es selbst! Gandhi hat gesagt: ‚Wir selbst müssen die Veränderung sein, die wir in der Welt sehen wollen‘. Das finde ich sehr weise.
Welche Probleme werden wir in Zukunft lösen?
Da bin ich ja nicht naiv, es werden genau die Probleme gelöst werden, die die höchste Rendite für den Kapitalanleger bringen, der den Problemlöser/Erfinder unter Vertrag hat. Was haben Sie erwartet, was ich antworten werde? Wenn sich mit einem Problem kein Geld verdienen lässt, wird es auf lange Sicht nicht gelöst werden, auch wenn es noch so dringend wäre. Vor diesem Hintergrund finde ich vor allem das Projekt ‚One Laptop per Child‘ interessant, bei dem ich mich bis jetzt frage, welche Probleme es lösen wird. Ökologische Antriebe für Automobile werden wir nicht bekommen, weil plötzlich alle die Umwelt schützen wollen, sondern weil man in Zukunft wegen der steigenden Ölpreise eine Menge Geld damit verdienen kann, diese Lösungen anzubieten.
Welche Chancen für die Zukunft verbinden Sie mit den aktuell sich abzeichnenden (technischen) Entwicklungen?
Sagen wir es mal so: Ich hätte lieber heute als morgen das ‚Holodeck‘ oder den ‚Replikator‘ aus der Sience Fiction Serie StarTrek als Lernwerkzeuge. Die Anzahl der Chancen für unsere Zukunft wird aus meiner Sicht aber nicht stärker durch technische Entwicklungen als durch gesellschaftliche oder sogar religiöse Entwicklungen bestimmt. Unsere Chancen werden derzeit vor allem durch einen riesigen weltweiten Berg an Krediten bestimmt. Weltweit sind einflussreiche Staaten hoch verschuldet, allen voran z.B. die Vereinigten Staaten von Amerika. Diese Staaten existieren im Prinzip nur noch auf Kredit. Wer eine neue Chance entwickeln möchte, der benötigt aber auch Ressourcen für seine Idee. Diese Ressourcen stehen auch in Deutschland offenbar kaum noch zur Verfügung, wegen der hohen Schulden. Die Chancen werden daher für Schuldner eher überschaubar sein. Von neuen technischen Entwicklungen erwarte ich mir persönlich immer auch Freude an deren Benutzung. So gesehen ist da eine große Chance, für Freude an der Nutzung neuer Entwicklungen gegeben. Momentan finde ich z.B. die Multitouch Screens von Perceptive Pixel und Apple Inc. bemerkenswert. Diese neue Technik auszuprobieren, daran hätte ich bestimmt großen Spaß!
Auf was müssen sich Unternehmen einstellen? Mit welchen Anforderungen werden sie im Umfeld von Wissen konfrontiert werden?
Unternehmen sind ja im Prinzip ein eigenes kleines Ökosystem. Das bedeutet, dort können zumindest Dinge gedeihen, die wegen Mangel an Ressourcen im Bildungssystem keine Chance haben. In einem gesunden Unternehmen regieren eben nicht die Schulden das Tagesgeschäft, sondern die Suche nach neuen Chancen (zum Geldverdienen). So gesehen, werden Unternehmen neue Technologien dann einsetzen, wenn man damit besser Geld verdienen kann. Und wenn die Mitarbeiter durch neue Technologien (z.B. interne Mitarbeiter-Weblogs) besser an das Unternehmen gebunden werden können, dann dient das letztlich auch dem Ziel des Unternehmenserhalts und der Fortentwicklung. Als Unternehmen würde ich, egal ob es um Wissen, Freundlichkeit oder die Entwicklung einer Unternehmenspersönlichkeit geht, immer versuchen, die Neugier zu erhalten, Ausdauer zu haben und Respekt im Umgang mit Anderen und Respekt vor der Leistung Anderer. Damit ist man, denke ich, fast perfekt auf die Zukunft eingestellt, nicht nur als Unternehmen, sondern auch privat. Kombiniert man das mit dem Eintreten für Werte wie Zuneigung und Mitgefühl, wie sie seine Heiligkeit der Dalai Lama praktiziert, dann besteht sogar die Chance, die Welt zu einem besseren Ort zu machen.